Der vergessene Astronom
Das Fernrohr eröffnet neue Horizonte
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Das Titelblatt von Simon Marius' Buch "Mundus Iovialis"
Marius war damit wohl etwas früher dran. Allerdings gilt es zu bedenken: Als guter Katholik folgte Galilei dem Papst in Rom, zumindest in folgendem Punkt: Er verwendete den damals brandneuen Gregorianischen Kalender. Marius hingegen war Protestant. In ketzerischer Manier hielten die Protestanten am Julianischen Kalender fest – sogar bis 1700. Der 29. Dezember 1609 des Julianischen Kalenders entspricht aber dem 9. Januar 1610 im Gregorianischen Kalender. Somit entdeckten Marius und Galilei die Jupitertrabanten praktisch gleichzeitig und unabhängig voneinander. Galilei hatte aber – und das ist entscheidend für seinen Ruhm – seine Entdeckung viel früher publiziert. So kam es dann auch zu einem heftig geführten Prioritätsstreit. Vor allem behauptete Galilei, dass in Marius’ Buch Mundus Iovialis, das im Februar 1914 in Nürnberg von seinem Schwiegervater Lauer auf dessen Kosten gedruckte wurde, seine – nämlich Galileis – Beobachtungen enthalte. Während Galilei seine Entdeckung „Mediceische Gestirne“ nannte, widmete Marius die Jupitermonde seinem fürstlichen Gönner, dem Markgrafen Joachim Ernst von Brandenburg zu Ansbach und bezeichnete sie als „Sidera Brandenburgice“, also als „Brandenburgische Gestirne“. Doch nicht nur das. Auf Marius geht auch die noch heute übliche Benennung der vier großen Jupitertrabanten nach Gestalten aus der klassischen Mythologie zurück: Io, Europa, Ganymed und Kallisto, die Gespielinnen des Göttervaters und dem Mundschenk Ganymed. Die ursprüngliche Idee, die Jupitertrabanten nach den Geliebten des Götterbosses zu benennen, dürfte wohl Johannes Kepler gehabt haben, der im Oktober 1613 am Reichstag zu Regensburg mit Marius noch vor Drucklegung seines Buches Mundus Iovialis über dessen Beobachtungen diskutierte. In seinem Werk bezeichnet Marius seinen Freund Kepler als Taufpaten der Brandenburgischen Gestirne. Kepler hat dies nie bestritten. Wörtlich schreibt Marius in seinem Werk Mundus Iovialis (in deutscher Übersetzung – das Original ist in lateinischer Sprache abgefasst):
„Io, Europa, der Knabe Ganymed und Kallisto haben dem ausschweifenden Jupiter sehr gefallen. Zu diesem Einfall und dieser Benennung mit Eigennamen hat der kaiserliche Mathematiker Herr Kepler Anlass gegeben, als wir im Monat Oktober des Jahres 1613 bei einem Treffen in Regensburg waren. Deswegen tue ich wohl gut daran, ihn scherzhaft und in Freundschaft, die wir damals schlossen, als Mitpaten der vier Gestirne zu begrüßen.
Aber wie ich alle diese Namen ohne tieferen Ernst ausgedacht habe, soll es auch jedem überlassen bleiben, diese entweder zurückzuweisen oder zu akzeptieren.“
Marius war also sehr tolerant, was die Benennung seiner entdeckten Gestirne betrifft. Inzwischen sind seine Vorschläge längst zur offiziellen Bezeichnung der vier hellen Jupitermonde geworden.